Mittwoch, 3. Oktober 2012

Frontal21 oder auch: Wie man 3377 Euro pro Minute die Toilette runter spült

Lange Zeit konnte ich nicht verstehen, warum viele meiner Freunde Politmagazine wie Monitor, Panorama oder eben Frontal21 bestenfalls belächeln oder wie viele Spitzenpolitiker sogar über sie fluchen. Doch wie so oft ist nicht alles Gold, was glänzt. Und von etwas anderem als Glänzen kann bei Frontal21 mit stolzen 3377 Euro pro Minute Produktionskosten keine Rede sein.

Dass Frontal21 aus den üppig kassierten Rundfunkgebühren oftmals leider keinen seriösen Fernsehjournalismus macht, musste ich kürzlich bei zwei Beiträgen feststellen - beim ersten aufgrund meines medizinischen Fachwissens und beim zweiten wegen meiner Anwesenheit vor Ort.

14.08.2012, 21.33 Uhr: Frontal21 berichtet mit dem Titel "Krebskranke bei Samsung - Kampf um Gerechtigkeit" (Manuskript im PDF-Format hier) über angeblich gehäufte Krebserkrankungen bei Mitarbeitern von Samsung in Südkorea. Schon wenige Sekunden nach Beginn des Beitrags spricht eine schwer gezeichnete, ehemalige Samsung-Angestellte "Da sagte man mir, dass ich Krebs habe. Ein Hirntumor." in die Kamera. Bevor man nun wütend auf den südkoreanischen Mammutkonzern wird, sollte man allerdings wissen, dass zahllose medizinische Studien bis heute - abgesehen von Radioaktivität - keinen Zusammenhang zwischen bösartigen Hirntumoren und Umweltfaktoren feststellen konnten. Und so unseriös plänkelt der Beitrag weiter vor sich hin, dramatische Interview-Fetzen, wüste Unterstellungen, bestenfalls Indizien und vor allem keine Fakten. Es kann gut sein, dass bei Samsung Mitarbeiter aufgrund mangelnder Arbeitsplatzsicherheit an Krebs erkranken. Eine stichhaltige Berichterstattung sollte in diesem Fall aber plausibel Erkrankte und beispielsweise ein Gutachten und Interview eines Epidemiologen beinhalten - bei mehr als 150.000 Euro Budget für jede Sendung durchaus machbar.

25.09.2012, 21.08 Uhr: Der Beitrag "Gefangen im Netzwerk - Die Macht von Facebook" (Manuskript im PDF-Format hier) dreht sich um eine naive, selbsterklärt "süchtige" Facebook-Nutzerin - bezeichnenderweise mit dem Namen "Lulu". Es folgt das Aufwärmen längst bekannter Datenschutz-Mängel bei Facebook und diffuse Angstmacherei. Für den ein oder andern vielleicht interessant, investigativ keinesfalls. In der Mitte des Beitrags möchte Frontal21 anhand der verweigerten Stellungnahme der "extra aus den USA eingeflogenen" Facebook-Repräsentantin Elizabeth Linder die Intransparenz des Social-Media-Giganten beweisen. Dass sie seit Längerem in London stationiert ist, wurde von der Redaktion entweder nicht recherchiert oder bewusst falsch dargestellt. Aber wie steht es um das Auftreten des Frontal21-Kamerateams vor Ort? Linder sprach am Sonntag, dem 23.09. auf dem PolitCamp in Berlin. Der Redaktion wurde schon am Freitag zuvor seitens Facebook mitgeteilt, dass sie  nicht auf Fragen eingehen würde. Außerdem hatten die PolitCamp-Veranstalter klar kommuniziert, dass im Veranstaltungssaal Dreharbeiten, aber keine Fragen gestattet wären. Allen Absprachen zum Trotz stürzte sich das Frontal21-Kamerateam bei erster Gelegenheit auf Linder und Gesprächspartner gleichermaßen und eine Redakteurin feuerte in schlechtem Englisch von einem Schmierzettel abgelesene Fragen ab. Das Resultat kann im Beitragsvideo bestaunt werden. Seriosität sieht in jedem Fall anders aus. Zum krönenden Abschluss meint Lulus "beste Freundin Katja" in Sachen Telefonabhörung durch Facebook "Ganz ehrlich. Ich kann's mir sogar vorstellen. Also, mittlerweile hat man immer mehr Angst davor." Gut, dass wir das geklärt haben.

Eines ist klar: Kritisches Zuschauen ist mittlerweile nicht nur bei RTL und Co. notwendig.

2 Kommentare:

  1. Naja, wer sich Interviews nicht stellen will, hat offensichtlich etwas zu verbergen. TV-Journalismus, gerade Formate wie frontal21, sollen keine Hofberichterstatter von Unternehmen sein, insofern ist er gut, dass sie versuchen Linder für ein spontanes Interview zu stellen.

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  2. Keinesfalls sollte über die Aktivitäten irgendwelcher Unternehmen zu unkritisch berichtet werden, aber hier wird ein falscher Eindruck erweckt. Frontal21 teilt dem Zuschauer weder mit, dass Facebook der Redaktion bereits 2 Tage vorher ein Interview versagt hatte, noch weisen sie darauf hin, dass sie entgegen der Absprache mit dem Hausherren handeln. Ein "Wir versuchen trotz Absage eine Stellungnahme von Facebook zu bekommen" wäre in meinen Augen angebracht gewesen. Das Ignorieren der Absprachen mit dem Hausherren ist in jedem Fall inakzeptabel.

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